Die Legende von Elisabeth

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Es geht um ein Thema, das möglicherweise geeignet ist, meine Laufbahn als Autor und Journalist zu beschädigen. Die Wahrheit ist: Elisabeth Raether ist nicht „meine Frau“, das heißt, Elisabeth Raether und ich sind nicht miteinander verheiratet. Ich kenne diese geschätzte „Zeit“-Journalistin und Buchautorin nicht, wir sind einander nie begegnet.

Es hat lange gedauert, bis ich überhaupt begriffen habe, dass es flüchtige Bekannte gibt, die davon überzeugt sind, ich wäre Raethers Mann. Hin und wieder rufen sie mir zu: „Wir haben am Wochenende wieder die Kürbissuppe Ihrer Frau gekocht! So köstlich!“ Ich habe das anfangs nicht begriffen. Die Kürbissuppe meiner Frau (nicht Elisabeth Raether) schmeckt wirklich gut, die Kinder essen sie lieber als meine Kürbissuppe, aber das Rezept ist gar nicht weit verbreitet, es existiert nur im Kopf meiner Frau.

Manchmal sagen Menschen nach einer Lesung: „Wir freuen uns jede Woche auf die Rezepte Ihrer Frau.“ Was definitiv nicht sein kann, weil die einzigen schriftlich festgehaltenen Rezepte meiner Frau in einem von ihr seit ihrer Schulzeit geführten kleinen Büchlein stehen, das von niemandem entziffert werden kann außer von ihr und, nach einigen Ehejahren, in Teilen auch von mir. Raether hingegen schreibt bekanntermaßen die Rezepte-Kolumne „Wochenmarkt“ im „Zeit-Magazin“.

Nun stelle ich fest, als ich mir unterwegs auf die Schnelle einen Überblick über meine Lesungstermine verschaffen und „till raether lesungen“ googeln will, dass bei den Suchanfragen, die Google automatisch anbietet, zwei den Irrtum betreffen, um den es hier geht: „till raether ehefrau“, und, was ich noch schöner finde, „till raether elisabeth“. Dies scheint mir eine Verschwendung von Erkenntnisinteresse zu sein, darum kläre ich das hier kurz auf.

Aber, wie gesagt, ich fürchte, bei manchem stellt sich nun, wenn es um mich geht, eine gewisse Produktenttäuschung ein. So wie bei der Buchhändlerin, die mich nach einer Lesung bat: „Könnten Sie bei Ihrer Frau ein gutes Wort für mich einlegen? Wir hätten sie auch so gern mal bei uns.“ Ich roch schon den Braten (Elisabeth Raether, „Ein weihnachtlicher Sauerbraten“, „Zeit-Magazin“ Heft 51/2016), stellte mich aber doof und sagte: „Das ist ganz nett, das geb ich gern weiter, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass meine Frau 100 Kilometer Autobahn fährt, um bei Ihnen nach Büchern zu stöbern.“ Als sich das Missverständnis aufklärte, zog ein Schatten der Enttäuschung über das Gesicht der Buchhändlerin. Ohne die Legende von Elisabeth bin ich womöglich nicht der ganze Raether. Aber wir sind alle nur Fragmente unserer selbst, es muss und wird also auch so gehen.

Was ich beim weiteren Googeln für diesen Text hier übrigens nicht gefunden habe, war Raethers Kürbissuppe, auf die ich schon mehrfach angesprochen worden bin. Stattdessen habe ich festgestellt, dass offenbar niemand bei Google sucht, wer der Ehemann oder die Ehefrau von Elisabeth Raether ist.